Eheglück: Bauchgefühl sagt mehr als tausend Worte
„Die unbewusste Einschätzung scheint ziemlich immun gegen den Antrieb zu sein, die eigene Beziehung in ein möglichst positives Licht zu rücken“, sagt der Sozialpsychologe James McNulty. „Darum formt die Unzufriedenheit mit dem Partner die Beziehung selbst dann, wenn sich die Partner nicht eingestehen können oder wollen, dass sie zutiefst unzufrieden sind.“ Unbewusste Standpunkte wie Einstellungen und Stereotypen lassen sich in Experimenten aus der Art und Weise ableiten, wie sich Befragte verhalten, statt aus dem Inhalt ihrer Antworten auf explizite Fragen. Diese auch intuitiv genannten Einstellungen bestimmen vor allem spontane Verhaltensweisen. Schon frühere sozialpsychologische Versuche haben gezeigt, dass Menschen ihr Gegenüber unbewusst positiver bewerten, wenn mit der anderen Person angenehme Assoziationen verbunden sind. Zudem nehmen Versuchspersonen in entsprechenden Experimenten Veränderungen von Gesichtern tendenziell weniger wahr, wenn sie durch vorherige Manipulationen bereits eine besonders positive unbewusste Einstellung gegenüber diesen Gesichtern entwickelt haben. Die Wissenschaftler um McNulty haben nun erstmalig untersucht, ob solche unbewussten positiven Bewertungen auch die Entwicklung einer Partnerbeziehung über einen längeren Zeitraum günstig beeinflussen können.
Die Forscher beobachteten dazu 135 frisch vermählte Paare über vier Jahre hinweg. Zu Beginn des Experiments und im folgenden alle sechs Monate wurden die Probanden gebeten anzugeben, wie zufrieden sie mit ihrer Beziehung sind und ob es ernsthafte Probleme gibt. Zudem nahmen sie zu Beginn der Studie an Tests teil, die den Forschern Einblick in die bewusste und unbewusste Bewertung der Partner gab. Um die bewussten, auch als explizit bezeichneten Einstellungen der Probanden zu ermitteln, mussten sie ihre Beziehung mit 15 gegensätzlichen Adjektivpaaren wie „zufrieden – unzufrieden“ bewerten. Die unbewussten, auch implizite Einstellungen genannten Bewertungen ermittelten die Wissenschaftler, indem sie den Teilnehmern zuerst Fotos ihrer Partner oder aber fremder Personen zeigten. Anschließend wurden die Probanden mit einer Reihe von positiv oder negativ besetzten Wörtern konfrontiert, die sie so schnell wie möglich als positiv oder negativ kennzeichnen sollten. Eine schnelle richtige Zuordnung sowohl der positiven als auch der negativen Wörter deutete auf eine größere unbewusste Zufriedenheit mit dem Partner hin.
Obwohl alle Teilnehmer im Verlauf der vier Jahre unzufriedener mit ihrer Ehe wurden, büßten Partner, die zu Beginn der Testphase auf dem unbewussten Level besonders erfüllt gewesen waren, über die Jahre auffällig weniger an Zufriedenheit ein. Sie berichteten im Verlauf der vier Jahre weniger von Beziehungsproblemen. Umgekehrt verschlechterte sich bei den Probanden, die mehr von Problemen berichteten, die Beziehung im Verlauf der Jahre signifikant.„Eine positive intuitive Einstellung zum Partner scheint die Zufriedenheit in der Ehe zu schützen, indem sie einen gegenüber unerwünschten Veränderungen weniger feinfühlig machen“, fasst McNulty die Studienergebnisse zusammen. „Selbst wenn Menschen nicht willig oder fähig dazu sind, den Zustand der Ehe ehrlich zu beleuchten sagt ihre unwillkürliche Beurteilung des Partners eines der wichtigsten Dinge in ihrem Leben voraus: die Flugbahn der Zufriedenheit in der Ehe.“