E-Mails machen Lügen salonfähig

In E-Mails wird weitaus hemmungsloser gelogen als in tradtionellen Papier-und-Stift-Briefen
Bethlehem (USA) - Jemandem direkt ins Gesicht zu lügen – dazu gehört schon eine ordentliche Portion Frechheit. Eine Lüge in einem Brief zu schreiben geht schon eher. Doch bei E-Mails fallen offenbar auch bei Menschen mit einigem moralischem Anspruch die Grenzen. So wird in E-Mails deutlich häufiger gelogen als in traditionellen Papier-und-Stift-Briefen, hat ein amerikanisches Forscherteam herausgefunden. Wie es in einem Vortrag auf der Jahrestagung der Academy of Management darlegte, hängt dies möglicherweise damit zusammen, dass E-Mail-Partner einander häufig kaum kennen oder oft nur in professionellen Situationen miteinander in Kontakt treten.

"Die Besorgnis über E-Mail-Kommunikation in den Unternehmen wächst, und dabei geht es vor allem um Vertrauen", erklärt Liuba Belkin von der Lehigh University. "Man bekommt bei E-Mails nicht den Luxus, non-verbale Hinweise zu sehen. Und in einem Organisationskontext bleibt dann viel Raum für Missdeutungen und, und wie wir in unserer Studie gesehen haben, für Täuschungen und Lügen."

In Experimenten bekamen Versuchspersonen jeweils 89 Dollar ausgehändigt. Dieses Geld sollten sie sich mit jeweils einem Partner aus einer anderen Gruppe von Versuchspersonen teilen. Diese zweite Versuchspersonengruppe wusste nur, dass es um eine Summe zwischen fünf und hundert Dollar ging. Die anbietenden Versuchspersonen konnten ihren Partnern entweder mittels Papier und Stift oder per E-Mail mitteilen, welche Summe sie erhalten hatten und wie viel sie davon ihrem Partner oder ihrer Partnerin aus der anderen Gruppe abgeben wollten.

Es zeigte sich, dass 92 Prozent der mailenden Versuchspersonen in Bezug auf die zur Verfügung stehende Gesamtsumme logen. Bei den Brief schreibenden Versuchspersonen logen hingegen nur 64 Prozent. Auch inhaltlich logen die E-Mail schreibenden Versuchspersonen dreister als die Brief schreibenden Probanden. Erstere gaben durchschnittlich 56 Dollar als Gesamtsumme an, von denen sie 29 Dollar an ihre Mail-Partner aus der anderen Gruppe abtreten wollten. Die mit Papier und Stift schreibenden Probanden hingegen gaben durchschnittlich 67 Dollar als Gesamtsumme an und wollten davon 34 Dollar abgeben.

"Man muss sich klar machen, dass sowohl E-Mail als auch mit Papier und Stift geschriebene Briefe immer nur schriftliche Texte sind. Die kommunikative Bandbreite ist also die gleiche", sagt Belkin. "Dennoch sehen wir hier einen dramatischen Unterschied." In einer weiteren Studie, in der die Versuchspersonen einander untereinander mehr oder weniger gut kannten, stellte sich heraus, dass die Lügen-Bereitschaft zunimmt, je weniger man mit jemandem persönlich bekannt ist. Dennoch stellte sich auch hier heraus: Die mailenden Versuchspersonen logen mehr als die Brief-Schreiber.

Lehigh University
Quelle: "Being honest online: The role of media in the decision to misrepresent information", T.R. Kurtzberg,, L.Y. Belkin, C.E.Naquin; präsentiert auf der Jahrestagung der Academy of Management, August 2008


 

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