Die meisten Fettleibigkeits-Gene wirken im Gehirn

Zwei Großstudien zeigen, dass es mehrere Gene gibt, die für ein erhöhtes Körpergewicht verantwortlich und im Gehirn aktiv sind
Ansichtskarte aus Fränkisch-Crumbach
Ansichtskarte aus Fränkisch-Crumbach
© Wikipedia, Autor: unbekannt
Boston (USA)/Reykjavik (Island) - Nicht nur ungesunde Ernährung und zu wenig körperliche Aktivität erhöhen das Risiko, an Fettleibigkeit zu erkranken. Unstrittig ist, dass es auch genetische Ursachen der Krankheit gibt. In zwei großen internationalen Studien, die im Fachjournal "Nature Genetics" erscheinen, haben Forscher jetzt mehrere Gene identifiziert, die das Körpergewicht beeinflussen. Die meisten davon sind in Hirnzellen aktiv. Danach könnten Mutationen in diesen und weiteren Genen die normale, hirngesteuerte Regulation der Nahrungsaufnahme und -verwertung stören und so anfälliger für Fettleibigkeit machen. Wenn es gelingt, durch weitere Studien die genetischen Ursachen der Krankheit zu klären, wäre es möglich, neue Diagnoseverfahren und Therapien zu entwickeln.

Ein von Wissenschaftlern des isländischen Biotech-Unternehmens deCODE Genetics geleitetes Forscherteam identifizierte elf Regionen im menschlichen Genom, in denen sich Veränderungen der DNA-Sequenz auf die Regulation des Körpergewichts und das Fettleibigkeitsrisiko auswirken. Darunter waren bereits bekannte und sechs neue Gene, die auch von der zweiten Forschergruppe ermittelt wurden. Die meisten dieser Gene waren im zentralen Nervensystem aktiv. Das sei ein Hinweis darauf, dass erbliche Veränderungen der Appetitregulation für eine Veranlagung zur Fettsucht verantwortlich sein können, sagt Joel Hirschhorn vom Broad Institute of Harvard and MIT, einem der mehr als 60 Forschungsinstitutionen, die an den Studien beteiligt waren. Es sei schon bemerkenswert, dass sich genetische Variationen, die im Zusammenhang mit Fettleibigkeit stehen, hauptsächlich im Gehirn und weniger im Fettgewebe oder Darm auswirken, bemerkt Ines Barroso vom Wellcome Trust Sanger Institute.

Die jetzt bekannten Genvarianten haben allerdings nur vergleichsweise geringe Auswirkungen: Sie könnten das durchschnittliche Körpergewicht nur um bis zu zwei Kilogramm erhöhen. Daher müsse man nach weiteren relevanten Genen suchen, um die Krankheitsursachen verstehen und neue Therapien entwickeln zu können, so die Autoren. Dazu würde die verbesserte Technik der Genomsequenzierung helfen, die es inzwischen erlaubt, das gesamte Erbgut eines Menschen in kurzer Zeit zu entschlüsseln. Die neuen Ergebnisse würden keine Erklärung für die epidemieartig wachsende Zahl von Fettleibigen in den Industrieländern liefern, kommentiert Peter Weissberg von der British Heart Foundation in London. Schließlich seien die jetzt präsentierten Gene schon immer normaler Bestandteil des menschlichen Erbguts gewesen.

Aus Zwillingsstudien ist bekannt, dass das Körpergewicht zu 40-70 Prozent in den Genen festgelegt ist. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es weltweit mehr als eine Milliarde übergewichtige Menschen, darunter etwa 300 Millionen Fettleibige. Fettleibige leiden häufiger unter Diabetes, Herz- und Gefäßkrankheiten und einigen Krebsformen. Befriedigende Therapien gibt es nicht.

Nature Genetics
Quelle: "Six new loci associated with body mass index highlight a neuronal influence on body weight regulation", Cristen J Willer et al., Nature Genetics, Online-Publikation, http://dx.doi.org/10.1038/ng.287
"Genome-wide association yields new sequence variants at seven loci that associate with measures of obesity", Gudmar Thorleifsson et al., Nature Genetics, Online-Publikation, http://dx.doi.org/10.1038/ng.274


 

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