Der Uran-Kreislauf der Erde

Das Verhältnis von leichten und schweren Uran-Isotopen erklärt geologische Prozesse der Erdgeschichte
Basalt-Probe vom Ozeanboden, die einen hohen Anteil an schwerem Uran-238 aufweist.
Basalt-Probe vom Ozeanboden, die einen hohen Anteil an schwerem Uran-238 aufweist.
© Ocean Drilling Program
Bristol (Großbritannien) - Der radioaktive Zerfall von Elementen dient vielen Forschern vom Archäologen bis zum Geologen als ein zuverlässiger Zeitmesser. Das schwere Element Uran offenbarte nun britischen Geophysikern einen einzigartigen Einblick in die Erdgeschichte. Wie sie im Fachblatt „Nature“ berichten, konnten sie den globalen Transport von Uran von der Erdoberfläche durch den Erdmantel bis zu den vulkanisch aktiven Regionen inmitten der Ozeane in den vergangenen 600 Millionen Jahren rekonstruieren. Möglich wurde dies durch überraschende Unterschiede im chemischen Verhalten von Uran-Isotopen, die erst in den späten 1990er Jahren entdeckt wurden.

Im Zentrum der Analyse der Arbeitsgruppe um Morten Bugge Andersen von der University of Bristol standen die beiden häufigsten Uran-Isotope, U-238 und U-235. In zahlreichen Gesteinsproben - gewonnen aus der Erdkruste, am Marianengraben, dem ozeanischen Boden oder vulkanischen Inseln wie Island, den Kanaren oder Hawaii - bestimmten die Forscher das Mengenverhältnis dieser beiden Isotope zueinander. Die Unterschiede waren so deutlich, dass die Proben als signifikante Tracer genutzt und somit den Uran-Transport durch die Erde über Jahrmillionen anzeigen konnten.

Gesteine mit relativ viel schwerem Uran-238 entdeckten Andersen und Kollegen in der dünnen ozeanischen Kruste. Diese taucht an den Kontinentalrändern über sogenannte Subduktionszonen in den Erdmantel ab und wird dort aufgeschmolzen. Aus diesem Reservoir heißer Gesteinsmassen in dem partiell geschmolzenen Erdmantel drückt Magma inmitten der Ozeane wieder nach oben und bildet die mittelozeanischen Rücken. Auch in diesen gigantischen Unterwasser-Gebirgen wiesen die Forscher einen überdurchschnittlich hohen Uran-238 Anteil nach. „Das ist eine natürliche Uran-Verseuchung von globalen Ausmaßen“, sagt Morten Andersen.

Die Gesteinsproben von Hawaii, den Azoren oder Island dagegen zeigten diese hohe Uran-238-Anteile jedoch nicht. Der Grund: Diese vulkanischen Inseln werden aus viel tiefer im Erdmantel liegenden Magmareservoiren gespeist. In diese Bereiche könnte kein Material und kein Uran aus den jüngeren Subduktionszonen gelangt sein.

Den Beginn des globalen Uran-Kreislaufs sehen die Forscher vor 600 Millionen Jahren. Damals stieg der Sauerstoff-Gehalt der Atmosphäre stark an und ermöglichte die Oxidation von Uran auf der Erdoberfläche. Erst durch diese chemische Veränderung konnten wasserlösliche Uran-VI-Verbindungen entstehen, die dann über Niederschlag und Flüsse in die Ozeane gelangten. Am Meeresboden abgesetzt wurde dieses Uran in sehr langwierigen Prozessen Bestandteil der ozeanischen Kruste. Umgeben von Gesteinen wieder zu Uran-IV reduziert, entstanden unlösliche Uranverbindungen, die dann ihre lange Reise in den Erdmantel antraten.

Die Grundlage dieser Uran-Datierung ist der radioaktive Zerfall. Mit einer langen Halbwertszeit von 4,47 Milliarden Jahren zerfällt U-238 etwa sechsmal langsamer als U-235. Aus dem Verhältnis beider Isotope in Gesteinsproben konnte auch das Alter der Erde auf etwa 4,6 Milliarden Jahre bestimmt werden. Lange gingen Wissenschaftler davon aus, dass das Verhältnis dieser beiden Isotope überall auf der Erde mehr oder weniger identisch sein sollte. Doch diese Annahme erwies sich als falsch. So lässt sich schweres Uran-238 eher reduzieren als leichteres Uran-235, obwohl es sich um ein und dasselbe Element handelt. Nur durch dieses Phänomen konnte sich in der ozeanischen Kruste schweres Uran-238 anreichern. Im umgebenden Seewasser dagegen findet sich deutlich häufiger das leichtere Isotop Uran-235. Dieser kleine, aber signifikante Effekt ist ein Glücksfall für Andersen und seine Kollegen, die sonst keine Datenbasis für ihre Uran-Kreislauf-Analyse gehabt hätten.

„Im Rahmen der genannten Voraussetzungen und Parameter ist dieses Modell des Uran-Kreislaufs in sich schlüssig“, sagt Alexander Rocholl, Geochemiker am Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ). Doch sieht er in der Studie auch die Gefahr einer Überinterpretation der Daten. Zum Beispiel basiert der verwendete Wert für die Uranisotopie der Gesamterde auf lediglich zwei Messdaten von Meteoriten. Würden jedoch bereits publizierte Abschätzungen verwendet, wären Teile der Schlussfolgerungen nicht mehr haltbar. „Dieses Modell müsste deshalb mit anderen geochemischen Methoden überprüft werden“, so Rocholl. Doch werde diese Studie mit Sicherheit die Diskussion um den globalen Stoff-Kreislauf von Uran und anderen Schlüsselelementen beleben. Und auch darum ginge es in der Wissenschaft.

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