Der Flug der Schlange

Physikalisch belegt: Abspreizen der Rippen sowie Abflachen des Körpers sorgen für Auftrieb - das allein liefert aber keine vollständige Erklärung für den bemerkenswerten Gleitflug
Schlange der Art Chrysopelea paradisi im Flug
Schlange der Art Chrysopelea paradisi im Flug
© Dr Jake Socha
Blacksburg (USA) - Es gibt Schlangen, die können fliegen. Mit schlängelnden Bewegungen gleiten sie durch die Luft – und das sogar erstaunlich effizient. Die Reptilien spreizen dabei ihre Rippen ab. Dadurch ist ihr Körperquerschnitt nicht länger rund, sondern nimmt einen abgeplatteten, beinahe UFO-förmigen Umriss an. Die aerodynamischen Charakteristika des so geformten Schlangenkörpers und die an ihm wirkenden Auftriebskräfte haben US-Forscher nun in Strömungsversuchen am Modell analysiert. Ihre Ergebnisse, die sie im Fachblatt „Journal of Experimental Biology“ präsentieren, können die eindrucksvollen Flugeigenschaften der Tiere zumindest zum Teil erklären. Doch um die Physik des Schlangenflugs völlig zu verstehen, müssten noch weitere Aspekte wie etwa die Dynamik der Fortbewegung in der Luft in Betracht gezogen werden. Die Aerodynamik des ungewöhnlich abgeplatteten Körpers allein reicht dazu nicht aus.

„Sie sehen aus, als würden sie schwimmen“, beschreibt John J. Socha von der Virginia Tech die Fortbewegungsweise der Schlangen. „Sie verwandeln dabei ihren gesamten Körper in eine aerodynamische Oberfläche.“ In Südostasien kommen fünf Arten der auf Bäumen lebenden Schmuckbaumnattern (Chrysopelea) vor, darunter die Art Chrysopelea paradisi. Weil sie von Baum zu Baum gleiten können, nennt man sie mitunter auch fliegende Schlangen. Für ihre Strömungsversuche konstruierten Socha und seine Kollegen mit einem 3D-Drucker einen Stab, der denselben Querschnitt hatte wie der leicht abgeplattete Schlangenkörper im Flug und damit auch grundsätzlich ähnliche aerodynamische Eigenschaften besaß. Dieses Modell platzierten sie in einem Wasserbehälter, in dem sie unterschiedliche Strömungsbedingungen simulieren konnten, und analysierten, wie das Wasser jeweils um den Stab floss und welche physikalischen Kräfte dabei wirkten. Zwar ist Wasser viel dichter und zäher als die Luft, durch die die Schlangen gleiten, aber im Wasserfluss lassen sich unterschiedliche Strömungsbedingungen besonders gut simulieren und beobachten.

Es stellte sich heraus: Je nachdem, wie schnell und in welchem Winkel das Wasser über den schlangenförmigen Körper floss, entwickelten sich unterschiedliche Kräfte und Wirbel um das Modell. Wenn die Forscher es kippten, entstand bei den meisten Winkeln und Strömungsgeschwindigkeiten auch tatsächlich genügend Auftrieb, um zumindest einen Teil der eindrucksvollen Flugfähigkeit der Schlangen erklären zu können. Unter manchen Bedingungen bildeten sich aber auch Wirbel unterhalb des Schlangenkörpers und er wurde sogar heruntergedrückt. Wenn sie dieses Phänomen ausnutzen, könnten die Schlangen ihren Flug möglicherweise noch besser kontrollieren, halten die Forscher für möglich.

Der UFO-förmige Querschnitt allein kann ihren Ergebnissen zufolge nicht ausschließlich für die guten Flugeigenschaften verantwortlich sein. Bei genauer Betrachtung des Gleitflugs der Schlangen wird deutlich, dass dieser deutlich effektiver ist als allein aufgrund der in den Modellversuchen gemachten Beobachtungen zu erwarten wäre: Würde man grob die sogenannte Gleitzahl für das Tier abschätzen, so Socha, scheinen sie besser gleiten zu können als aus der Studie zu erwarten sei. Die Gleitzahl ist ein Maß für die aerodynamischen Eigenschaften eines Luftfahrzeugs im Gleitflug – oder in diesem Fall eben auch einer fliegenden Schlange. „Selbst wenn diese Form mehr Auftrieb erzeugt als wir erwarten würden, kommen wir doch nicht auf die Gleitleistungen, die die Schlangen erreichen können“, erläutert der Forscher „Das gibt uns einen Hinweis, dass da irgendwas sein muss, was das Tier aerodynamisch tut, das nicht anhand der Form des Querschnitts erfasst werden kann.“ Was genau das ist, welche Rolle etwa die schlängelnden Bewegungen in der Luft dabei spielen, wollen die Forscher in weiteren Versuchen herausfinden.

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