Demenzrisiko: Vollnarkose schadet offenbar doch
„Für ältere Menschen, bei denen nach einer Operation kognitive Störungen auftreten, sollten über einen längeren Zeitraum Kontrolluntersuchungen eingeplant werden“, sagte Francois Sztark von der Université Bordeaux Segalen. An seiner prospektiven Studie nahmen etwa 7.000 Menschen im Alter von über 65 Jahren teil, die noch keine Anzeichen einer Demenz zeigten. Im Abstand von zwei bis drei Jahren führten die Forscher Gedächtnistests durch. Außerdem gaben die Teilnehmer dann jeweils an, ob sie seit dem letzten Test unter Vollnarkose oder örtlicher Betäubung behandelt worden waren. Innerhalb von acht Jahren erkrankten 632 Personen an einer Demenz; in 284 Fällen handelte es sich dabei wahrscheinlich um die Alzheimer-Krankheit. Die statistische Auswertung ergab: Das Demenzrisiko erhöht sich nach mindestens einer Vollnarkose um 35 Prozent. Andere Einflussfaktoren wie sonstige Krankheiten und Bildungsstand wurden berücksichtigt.
Zum gegenteiligen Ergebnis war eine sogenannte retrospektive Fall-Kontroll-Studie amerikanischer Forscher der Mayo Clinic in Rochester gekommen. Sie hatten 877 über 45-jährige Patienten ausgewählt, bei denen in einem Zeitraum von zehn Jahren eine Demenz diagnostiziert worden war. In dieser Gruppe kamen Operationen unter Vollnarkose nach dem 45. Lebensjahr mit ähnlicher Häufigkeit vor wie bei einer Kontrollgruppe gleichaltriger geistig gesunder Menschen. Aus ihren Daten schlossen die Forscher, dass selbst mehrfache Vollnarkosen das Demenzrisiko nicht erhöhen.
Eine retrospektive Studie geht von bereits Erkrankten aus und vergleicht diese rückblickend mit ausgewählten gesunden Personen. Dagegen registriert man in einer prospektiven Studie Krankheitsfälle einer gesunden Ausgangsgruppe. Prospektive Studien eignen sich zwar generell besser, um Hinweise auf eine vermutete Kausalbeziehung zu liefern. Ein derartig widersprüchliches Ergebnis wie im vorliegenden Fall bedarf allerdings einer Erklärung.
„Anesthesia and Incident Dementia: A Population-Based, Nested, Case-Control Study“, Juraj Sprung et al.; Mayo Clinic Proceedings, (http://www.mayoclinicproceedings.org/article/S0025-6196(13)00124-9/abstract)