Bomber-Geschwader kühlten Englands Lüfte

Meteorologen analysieren Einfluss von Kondensstreifen auf das Wetter während des 2. Weltkriegs
"Fliegende Festungen" - B-17-Bomber verursachten Kondensstreifen
© Annette Ryan
Lancaster (Großbritannien) - Ob Dresden, Hamburg, Berlin oder Düren – fast alle deutschen Städte gingen während des 2. Weltkriegs im Bombenhagel der Alliierten unter. Über 500.000 deutsche Zivilisten verloren dabei ihr Leben. Doch heute liefern die Analysen der Luftangriffe wertvolle Daten für Klimaforscher. Britische Wissenschaftler fanden heraus, dass die Kondensstreifen der Geschwader mit mehr als 1.000 Flugzeugen die Lufttemperaturen über England um fast ein Grad abkühlten. Ihre Studie, die sie im Fachblatt "International Journal of Climatology" veröffentlichten, kann den Einfluss des Flugverkehrs auf das Erdklima besser erklären helfen.

"Für uns war es offensichtlich, dass das Bombardement der Alliierten ein ungewolltes Umweltexperiment darstellte", sagt Rob MacKenzie von der Lancaster University. Denn in keiner anderen Epoche der zivilen und militärischen Luftfahrt folgten so viele Tage mit starkem Flugverkehr auf praktisch verkehrsfreie Tage. Bei stabilen Wetterlagen konnten die Forscher direkt auf den Einfluss der Kondensstreifen – verursacht durch die Mischung kalter Luftschichten mit den heißen, partikelreichen Motorabgase der "Fliegenden Festungen" - auf das Wetter rückschließen. Für diese Analyse verglichen MacKenzie und Kollegen die damals schon genauen Wetteraufzeichnungen mit den Angriffsplänen der Bombergeschwader aus den Jahren 1943 bis 1945.

Aus allen Angriffswellen wählten sie jene Tage aus, an denen mehr als 1000 US-amerikanische Bomber des Typs B-17 nebst Begleitflugzeugen am frühen Morgen von britischen Militärbasen starteten. Die aussagestärksten Daten bot dabei der 11. Mai 1944, an dem 1444 Flugzeuge in einen nahezu wolkenfreien Himmel abhoben. Entlang der Flugroute breiteten sich für Stunden ganze Bündel von Kondensstreifen aus. Aus dem Vergleich der Wetterdaten benachbarter, wolkenfreier Regionen schlossen die Forscher, dass die erzeugte Wolkenschicht zu einer signifikanten Abkühlung von 0,8 Grad am Vormittag führte.

Diese Studie ist ein weiterer Beleg, dass Kondensstreifen – erzeugt von Propeller- oder Düsenflugzeugen – zu einer unmittelbaren Abkühlung der überdeckten Regionen führen. "Es ist nun einfacher, den Faktor Luftfahrt von allen anderen klimarelevanten Prozessen zu trennen", sagt MacKenzie. Zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Briten waren 2001 auch amerikanische Forscher gekommen, die während des Flugverbots nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York eine statistisch signifikante Erwärmung von 1,8 Grad - verursacht durch die fehlenden Kondensstreifen - ermittelten.

Die Einwohner von Brüssel, Lüttich, Luxemburg oder Saarbrücken werden den 11. Mai 1944 allerdings in trauriger Erinnerung behalten. Denn die "Operation No. 351" hatte diese Städte und weitere Orte im Saar-Mosel-Raum zum Ziel. Allein in Saarbrücken wurden über 200 Menschen getötet.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "World War II contrails: a case study of aviation-induced cloudiness", A. C. Ryan et al.; International Journal of Climatology, doi: 10.1002/joc.2392


 

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