Biologisch abbaubare Elektronik: Schaltkreise im Seidenmantel

Elektronische Implantate sollen vom Körper ohne gefährliche Nebenwirkungen zersetzt werden und zu neuen Behandlungsmethoden in der Medizin führen
Biologisch abbaubare Schaltkreise lösen sich in feuchter Umgebung auf
Biologisch abbaubare Schaltkreise lösen sich in feuchter Umgebung auf
© Fiorenzo Omenetto/Tufts University
Evanston (USA)/Seoul (Korea) - Wenige Wochen brauchen chirurgische Fäden, um sich nach einer Operation im Körper aufzulösen. In Zukunft könnten sich auch elektronisch gesteuerte Implantate nach einer gewünschten Zeit zersetzen. Erste Prototypen solcher auflösbaren Schaltkreise hat nun eine Gruppe koreanischer und amerikanischer Wissenschaftler entwickelt. Wie sie in der Zeitschrift „Science“ berichten, eröffnet sich damit ein weites Feld für medizinische Module, die im Patienten Körperfunktionen überwachen oder kontrolliert Arzneien freisetzen würden. Folgeoperationen zum Entfernen der ausgedienten Implantate könnten damit überflüssig werden.

„Das ist ein völlig neues Konzept“, sagt Yonggang Huang von der Northwestern University in Evanston. So seien elektronische Module nur so lange im Körper aktiv wie nötig und könnten danach spurlos verschwinden. Die klassischen Halbleiter-Materialien, wie sie in Computerchips verwendet werden, sind dafür wegen ihrer langen Haltbarkeit kaum geeignet. Huang und seine Kollegen wählten daher zersetzbare Materialien wie poröses Silizium oder Magnesium für Transistoren, Dioden, Sensoren und Miniantennen. In Kontakt mit Feuchtigkeit reagierten diese Substanzen, wandelten sich in wasserlösliche Verbindungen und könnten in Zukunft vom Körper eines Patienten resorbiert werden.

In Laborversuchen sowie in ersten Implantationstests bei Mäusen konnten die Forscher belegen, dass sich ihre Schaltkreise binnen weniger Tage komplett auflösten. Damit diese Zersetzungsprozesse nicht zu schnell einsetzten, brauchten die Module jedoch eine schützende Hülle. Dazu griff die internationale Arbeitsgruppe auf dünne Schichten aus Seidenproteinen zurück. Je nach Dicke dieser sich ebenfalls langsam zersetzenden Hülle konnte das Auflösen der Elektronik um Tage, Wochen oder Monate verzögert werden.

Eine auflösbare Batterie zum Betrieb der Elektronik im Körper gibt es jedoch noch nicht. Daher fertigten die Wissenschaftler winzige Antennen, die wie in RFID-Funketiketten über elektromagnetische Wellen und Induktion elektrische Spannungen liefern können. Eine Vergiftung des Körpers durch die aufgelöste Elektronik erwarten sie ebenfalls nicht. „Wir wählten nur Materialien aus, mit denen der Körper schon vertraut ist“, sagt Huang.

Ob mit solchen Modulen in Zukunft tatsächlich effizient Körperfunktionen gemessen oder Wirkstoffe direkt am Krankheitsherd kontrolliert freigesetzt werden können, müssen nun weitere Tierversuche zeigen. Wenn zudem gefährliche Nebenwirkungen ausgeschlossen werden, könnten sich elektronische Implantate zur Grundlage für völlig neuen Behandlungsmethoden entwickeln. Dass biologisch abbaubare Schaltkreise auch in anderen Elektronik-Geräten verwendet werden könnten, um der wachsenden Menge an Elektronikschrott Herr zu werden, wollen die Wissenschaftler ebenfalls nicht ausschließen.

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