Bewusstsein: Menschenaffen wissen, dass sie Fehler machen können
"Die aktuellen Ergebnisse weisen [...] auf ein Informationsverarbeitungssystem hin, das Komplexität, Flexibilität und Kontrolle besitzt, drei der Eigenschaften von Metakognition", erklärt Josep Call vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Bisher war ein solches bewusstes Verhalten bei den Menschenaffen umstritten. Klar ist, dass sie in Entscheidungssituationen mit unsicherer oder lückenhafter Informationslage entweder weglaufen, um keine Entscheidung zu treffen, oder weitere Hinweise suchen. Dieses Verhalten könne aber auch reiner Instinkt sein, sagten bisher die Kritiker: Das Hinweissuchen könnte Teil eines instinktiven Suchverhaltens sein, das automatisch abläuft, bis das Objekt gefunden ist. Und das Weglaufen aus der ungewissen Situation müsse ebenfalls nicht auf bewusstes Erkennen und Vermeiden der Unsicherheit hindeuten, sondern könne eine automatische Fluchtreaktion aus unangenehmen Situationen sein.
Um diese Zweifel zu widerlegen, testete Call eine dreiteilige Versuchsreihe an acht Schimpansen, sieben Gorillas, sieben Orang-Utans und vier Bonobos aus dem Leipziger Zoo. Sie sollten wählen zwischen zwei Röhren, von denen eine eine Belohnung enthielt. Im ersten Experiment konnten die Tiere das Hineinlegen des Futters nicht sehen, doch durch das Schütteln der Röhren bekamen sie akustische Hinweise. Affen bevorzugen normalerweise das Sehen vor dem Hören. Im zweiten Experiment wurde den Affen das Futter in der Röhre gezeigt, doch erst nach unterschiedlichen Wartezeiten durften sie es suchen. Und das dritte Experiment schließlich verglich die Reaktion der Affen auf sichtbare und versteckte Belohnung, während der Wert des Futters - spezielle Leckereien gegenüber Standardfutter - variierte.
Tatsächlich griffen die Versuchstiere gezielt nach der Belohnung, wenn sie sie beim Hineinstecken in die Röhre gesehen hatten. Wenn die aber wertvoller war oder mehr Zeit seit dem Verstecken verstrichen war, schauten die Affen lieber noch einmal in die Röhre, bevor sie zugriffen. Umgekehrt kontrollierten sie seltener vorher, wenn sie deutliche akustische Hinweise bekamen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Nachgucken eine Funktion von mindestens drei Faktoren ist, so Call: Dem Aufwand, in die Röhre zu schauen, dem Wert der Belohnung und der Informationslage. "Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse", so der Forscher, "dass die Probanden wussten, dass sie bei der Auswahl falsch liegen könnten. Auch nichtmenschliche Tiere dürften also einige metakognitive Fähigkeiten besitzen".