Beutefang: Fledermäuse reagieren mehr auf Bewegung als auf Töne
„In der Nähe einer Fledermaus wird ein Weibchen, das zu einem rufenden Männchen fliegt, eher zur Beute als das Männchen“, schreiben Rohini Balakrishnan vom Indian Institute of Science in Bangalore und ihre Kollegen. Im ersten Teil ihrer Untersuchungen ermittelten sie das Spektrum an Beutetieren des Malaiischen Falschen Vampirs (Megaderma spasma). Dazu sammelten sie während eines Jahres alle Überreste tierischer Nahrung unter fünf Schlafplätzen der Fledermäuse, die im südindischen Bundesstaat Karnataka heimisch sind. Die Beute bestand zu mehr als 95 Prozent aus Insekten und zu 60 Prozent aus Heuschrecken. Ob es sich um männliche oder weibliche Heuschrecken handelte, war an Strukturen der Vorderflügel erkennbar, die die Männchen zur Lauterzeugung, der sogenannten Stridulation, nutzen. Dabei werden durch Reibung die typischen Töne erzeugt. Von den 453 identifizierbaren Exemplaren ließen sich 294 weiblichen Tieren zuordnen. Es waren also 1,85-mal so viele Weibchen wie Männchen verzehrt worden.
Im zweiten Teil ihrer Arbeit beobachteten die Biologen das Verhalten der Fledermäuse beim Beutefang in einem großen Versuchszelt. Nur in elf Prozent der Fälle reagierten die Tiere auf das Abspielen aufgezeichneter Fluggeräusche von Heuschrecken. Das Playback der Rufe von drei einheimischen Heuschreckenarten führte in jedem dritten Fall zu einem Angriff der Räuber. Dagegen reagierten sämtliche Fledermäuse auf eine fliegende Heuschrecke, indem sie versuchten, die Beute zu fangen. Unbewegliche stumme Insekten waren vor den Räubern völlig sicher. Weibliche Heuschrecken gehen also – anders als bisher gedacht – bei der Partnersuche ein weitaus größeres Risiko ein als die Männchen. Wahrscheinlich ist es für die Fledermäuse auch generell leichter, ein Insekt im Flug zu fangen, als eine zwar rufende, aber in Bodennähe schlecht aufzuspürende Heuschrecke zu ergreifen.