Aufputschmittel für müden Stahl

Nanostrukturen nach dem Vorbild von Knochen sollen Stabilität von Stahllegierungen auf Dauer erhöhen
Knochen und Stahl unter dem Mikroskop: Für mehr Stabilität gegen Mikrorisse sollte der innere, hierachisch genannte Aufbau ähnlich gestaltet werden.
Knochen und Stahl unter dem Mikroskop: Für mehr Stabilität gegen Mikrorisse sollte der innere, hierachisch genannte Aufbau ähnlich gestaltet werden.
© C.C. Tasan et al., MIT, MPIE, Kyushu Univ.
Düsseldorf/Cambridge (USA) - Nach vielen Jahren können Stahllegierungen in Brücken, Flugzeugen oder Kraftwerken ermüden. Mikrorisse breiten sich aus und plötzliche Belastungen führen zu Brüchen mit teils katastrophalen Folgen. Die große Stabilität von gewachsenden Knochen führte nun eine internationale Gruppe von Materialforschern zu einer effizienten Strategie gegen ermüdende Stähle. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, könnte eine ausgeklügelte, hierachisch aufgebaute Nanostruktur den Werkstoffen ein deutlich längeres Leben verleihen. Übertragen auf die Vielzahl der Stahllegierungen soll damit die Stabilität von Bauwerken, Bahnen und anderer Stahlkonstruktionen drastisch verlängert werden.

„Belastungen von strukturellen Komponenten sind häufig zyklisch“, sagt Cemal Cem Tasan vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Verursacht durch Temperaturwechsel und Vibrationen ist die einzelne Belastung zwar unkritisch. Doch viele tausend Male wiederholt, führen sie zur Ermüdung und schließlich zum Bruch eines Materials. So suchte der Metallurge gemeinsam mit seinen Kollegen vom Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf und von der japanischen Kyushu Universität in Motooka nach neuen Strategien, um Stahllegierungen vor Ermüdungserscheinungen zu schützen. Dabei ließen sich die Forscher vom komplexen mikro- bis nanostrukturierten inneren Aufbau von Knochen inspirieren.

Tasan und Kollegen analysierten die filigranen Strukturen in Knochen und entdeckten in teils hochfesten Stählen grundlegende Ähnlichkeiten. Insgesamt identifizierten sie drei Strukturelemente, um die Bildung und Ausbreitung von gefährlichen Mikrorissen verhindern zu können. Eine schichtartige Struktur verhinderte das Wachstum von Mikrorissen über einzelne Schichten hinweg. Eine ausgewogene Mischung aus weichen und härteren Kristallanteilen im Stahl vermied unter zyklischer Belastung ebenfalls eine schnelle Vergrößerung von Mikrorissen besser als eine rein homogene Struktur. Und schließlich absorbierte ein Werkstoff mit Zonen aus unterschiedlichen Kristallstrukturen die Energie einer Belastung über mögliche Phasenwechsel und neue Anordnungen der kristallinen Bereichen. Prinzipiell fanden sich diese Strukturelemente in Knochen mit einem hierarchisch genannten, teils geschichteten Aufbau mit kleinen Hohlräumen wieder.

An ersten eigens gefertigten Stahllegierungen erkannten die Wissenschaftler, dass alle drei Charakteristika gemeinsam den wirkungsvollsten Schutz vor Brüchen boten. Auf der Basis dieser Ergebnisse könnten nun viele verschiedene Stahllegierungen optimiert werden. Zwar ist es nicht unwahrscheinlich, dass damit die Fertigungskosten für stählerne Bauteile steigen, doch ließe sich in Zukunft auch viel Material einsparen. Denn heute werden Stahlbauteile mit einem großzügigen Sicherheitspuffer massiver konstruiert als es für die jeweilige Anwendung eigentlich nötig wäre.

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