Anfassen hebt die Kauflust

Für Ware, die man im Prinzip anfassen kann, sind Menschen bereit, mehr zu zahlen
Pasadena (USA) - Wird das Internet langfristig den Einzelhandel in realen Geschäften kaputtmachen? Nein, sagen jetzt amerikanische Forscher nach einer experimentellen Studie: Bei Waren, die man anfassen kann, haben Menschen mehr Lust, diese Dinge zu kaufen, und sind bereit, sogar mehr dafür zu bezahlen als im Versand. Die Anfassmöglichkeit ist bei manchen Gütern um 50 Prozent wichtiger als die Informationen in Text und Bild, legen die Forscher in der "American Economic Review" dar.

In einem ersten Experiment sollten Versuchspersonen angeben, was sie zu zahlen bereit waren für bestimmte Speisen. In einem Fall wurde die Speise in einem kurzen Text beschrieben, im zweiten Fall auf einem Bild gezeigt und im dritten Fall stand der Teller mit der Speise vor der jeweiligen Versuchsperson. Für die Speise, die direkt vor den Versuchspersonen stand, waren diese bereit, 50 Prozent mehr zu zahlen als für die mit Text beschriebene oder im Bild dargestellte Speise. "Wir waren sehr überrascht, festzustellen, dass die Textdarstellung und die Bilddarstellung zu ähnlichen Bezahlangeboten führten", erklärt Benjamin Bushong vom California Institute of Technology. "Dieses Ergebnis könnte erklären, warum wir nicht häufiger reich bebilderte Speisekarten in Restaurants finden – Bilder sind schlicht die Kosten nicht wert!"

Da es aber sein könnte, dass die Speise, die vor den Versuchspersonen stand, durch ihr Aussehen und ihren Duft zum Kaufen verführte, wollten die Forscher ihr Experiment auch an anderen Waren durchführen. Sie wiederholten das Experiment und ließen die Versuchspersonen ihre Bezahlangebote nun für Bücher abgeben. Auch hier gab es in einem Fall nur eine Textinformation zum Buch, im zweiten Fall eine Buchabbildung und im dritten Fall das Buch selbst, das vor der Versuchsperson lag. Auch hier ergab sich der gleiche Befund.

Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass die pure materielle Präsentation einer Ware schon ausreiche, um die Kauflust zu erhöhen. Doch sie gingen noch einen Schritt weiter und fragten sich, ob die potenziellen Käufer eine Ware auch dann hoch bewerten würden, wenn eine durchsichtige Wand davor stünde. Sie stellten also die Güter, die sie den Versuchspersonen präsentiert hatten, hinter Plexiglas, so dass eine Berührung nicht möglich war. Sofort sank die Bereitschaft, für die Ware zu zahlen, auf das Niveau der nur im Text oder im Bild dargestellten Ware. "Selbst wenn sie die Ware gar nicht wirklich berühren", sagt Antonio Rangel, ein weiterer Autor der Studie, "die Tatsache, dass sie physisch präsent ist, scheint auszureichen. Diese Pawlowsche Reaktion stellt sich mit größerer Wahrscheinlichkeit ein, wenn der Kontakt mit dem Reiz - also der Ware - eine reale Möglichkeit ist."

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Quelle: "Pavlovian Processes in Consumer Choice: The Physical Presence of a Good Increases Willingness-to-pay", Benjamin Bushong, Antonio Rangel et al.; American Economic Review, September 2010.


 

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