Ameisenkolonie schützt sich durch Massenimpfung

Die Insekten aktivieren ihre Immunabwehr, indem sie Pilzsporen von infizierten Nestbewohnern ablecken
Gesunde Arbeiterinnen der Wegameise Lasius neglectus entfernen durch Putzverhalten infektiöse Sporen des Pilzes Metarhizium anisopliae von einer infizierten Ameise (rot markiert).
Gesunde Arbeiterinnen der Wegameise Lasius neglectus entfernen durch Putzverhalten infektiöse Sporen des Pilzes Metarhizium anisopliae von einer infizierten Ameise (rot markiert).
© Matthias Konrad, IST Austria
Klosterneuburg (Österreich) - Bei hoher Bevölkerungsdichte kann eine einzelne Infektion schnell eine Epidemie auslösen. Davor schützen sich Kolonien von Weg-Ameisen auf ungewöhnliche Weise: Die Insekten reagieren auf Pilzinfektionen von Nestbewohnern mit einer Massenimpfung und verhindern damit die Ausbreitung der tödlichen Krankheit, berichten österreichische Biologen. Sie konnten zeigen, dass die Arbeiterinnen durch ihr Putzverhalten geringe Mengen an Pilzsporen einer infizierten Ameise aufnehmen und so ihr Immunsystem aktivieren. Durch diese aktive Immunisierung schützt sich die Kolonie effektiver, als wenn die Tiere nur Abwehrstoffe von Mund zu Mund weitergeben würden, erklären die Forscher im Online-Journal „PLoS Biology“.

„Diese natürliche soziale Immunisierung ähnelt den ersten Versuchen des Menschen, eine Immunität gegen tödliche Krankheiten wie die Pocken zu erzeugen“, schreiben Sylvia Cremer vom Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg und ihre Kollegen. Bevor Impfstoffe aus toten oder abgeschwächten Erregern verfügbar waren, habe man einen Immunschutz durch eine schwache Infektion aufgebaut – so wie es auch die Ameisen tun. Der enge soziale Kontakt zwischen den Bewohnern eines Nestes erleichtert zwar eine schnelle Übertragung von Krankheitserregern. Aber den Ameisen dient er auch dazu, die Ausbreitung einer Infektion zu begrenzen, wie die Forscher bei ihren Experimenten mit der Weg-Ameise Lasius neglectus feststellten.

Sie infizierten einzelne Arbeiterinnen, indem sie eine tödliche Dosis von Sporen des Pilzes Metarhizium anisopliae auf die Körperoberfläche des Tieres auftrugen. Die Sporen waren mit einem rot fluoreszierenden Farbstoff markiert. Das erleichterte es, deren Übertragung zu verfolgen. Bei Kontakt mit gesunden Nestbewohnern infizierten sich diese bei der gegenseitigen Körperpflege mit geringen Mengen der Pilzsporen, indem sie die infizierte Ameise ableckten. Das führte dazu, dass die Überlebenschance der stark infizierten Arbeiterin stieg, während nur zwei Prozent der Neuinfizierten starben. Die gesamte Kolonie erlangte dadurch einen Immunschutz, der auch gegen eine Infektion mit einer hohen Dosis an Pilzsporen wirksam war.

Die schwache Infektion schaltete Gene der Immunabwehr ein. Das führte zur Produktion von Abwehrstoffen – darunter das antimikrobielle Peptid Defensin und das Enzym Prophenoloxidase –, welche Pilze abtöten. Wie lange der so erworbene Immunschutz einer Kolonie gegen eine Pilzinfektion anhält, ist noch nicht bekannt. Die Forscher fanden keine Hinweise darauf, dass Abwehrstoffe durch gegenseitige Fütterung direkt übertragen werden. Eine solche passive Immunisierung wurde dagegen schon früher bei einer bakteriellen Infektion von Ameisen nachgewiesen. Die unterschiedlichen Mechanismen seien auch sinnvoll, so die Autoren. Denn Bakterien vermehren sich schneller als Pilze und können nicht von der Körperoberfläche aufgenommen werden, da sie meist über die Nahrung in den Körper gelangen. In diesem Fall sei die direkte Weitergabe von Abwehrstoffen von Mund zu Mund die effektivere Schutzmethode.

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Quelle: „Social Transfer of Pathogenic Fungus Promotes Active Immunisation in Ant Colonies“, Matthias Konrad et al.; PLoS Biology, DOI: 10.1371/journal.pbio.1001300


 

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