Ältere Leute wollen an die schlimme Jugend von heute glauben

Ältere Menschen möchten beim Zeitunglesen gern bestätigt bekommen, dass die Jugend von heute schlimmer ist als zu ihrer eigenen Zeit
Columbus (USA)/Friedrichshafen - Das Alter klagt gern über die Jugend, die sich heute Dinge erlaube, welche man sich seinerzeit nie herauszunehmen gewagt hätte. Mehr noch: Ältere Leute, so fand jetzt ein amerikanisch-deusches Forscherteam heraus, möchten diese Einschätzung gern von den Medien, vor allem den Zeitungen und Zeitschriften bestätigt bekommen. Junge Leute hingegen, so legen die Forscher im "Journal of Communication" dar, hegen kein besonderes Interesse und also auch keine besonderen Vorurteile gegenüber der älteren Generation. Sie wollen in den Medien vor allem über andere Jugendliche lesen.

"Unsere Erkenntnisse stützen die Annahme, dass Menschen die Medien nutzen, um ihre eigene soziale identität zu stärken", erklärt Silvia Knobloch-Westerwick von der Ohio State University. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Matthias Hastall von der Zeppelin University Friedrichshafen hat sie 276 jüngere und ältere Deutsche zu einem Experiment eingeladen. Den Versuchspersonen wurde gesagt, sie sollten die Nullnummer einer noch nicht auf dem Markt befindlichen Zeitschrift vorab testen und am Computer lesen. In Wirklichkeit war diese Zeitschrift mit ihren Artikeln eigens für das Experiment hergestellt worden. genaugenommen waren es sogar zwei "Zeitschriften": In der einen gab es Artikel, in denen junge Leute negativ dargestellt wurden, in der anderen Variante standen die gleichen Geschichten, aber mit positiven Berichten über Jugendliche oder junge Erwachsene. Allerdings gab es in jeder Ausgabe sowohl positive wie negative Berichterstattungen über Alte und Junge. Alle Probanden sollten die Artikel lesen, die sie am meisten interessierten. Die Forscher sagten ihnen, dass sie nicht die Zeit hätten, alles durchzulesen. Ein Computerprogramm registrierte unterdessen - unbemerkt von den Versuchsteilnehmern -, wer welchen Artikel anklickte.

Es zeigte sich, dass ältere Versuchsteilnehmer - das heißt, aus der Altersgruppe der 50- bis 65-Jährigen - mit höherer Wahrscheinlichkeit negative Artikel über junge Leute auswählten. Bei Artikeln, die ihre eigene Altersgruppe thematisierten, hatten sie keine besondere Vorliebe für positive oder negative Berichtertattung. Junge Leute - 18- bis 30-Jährige - zeigten ganz allgemein nur ein sehr mäßiges Interesse an Artikeln über ältere Menschen, ganz gleich, ob diese Artikel positiv oder negativ über die älteren Menschen berichteten.

Nachdem die Probanden die neue "Zeitschrift" bewertet hatten, sollten sie einen Fragebogen ausfüllen, mit Hilfe dessen die Forscher ermitteln konnten, wie groß das Selbstvertrauen der Probanden war. Hierbei stellte sich heraus, dass jene älteren Probanden, die vor allem die Artikel über die "schlimme Jugend von heute" gelesen hatten, ein höheres Selbstvertrauen hatten als jene Probanden, die ohne besondere Präferenzen einige Artikel gelesen hatten. Die Forscher schließen daraus, dass viele Ältere vor allem deshalb Berichte über die missratene Jugend lesen, weil es ihr eigenes Selbstvertrauen hebt. Die jüngeren Versuchspersonen haben den Forschern zufolge noch keine so gefestigte soziale Identität und interessieren sich deshalb ganz wertfrei für Lebenswege anderer junger Menschen.

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Quelle: "Please Your Self: Social Identity Effects on Selective Exposure to News About In- and Out-Groups", Silvia Knobloch-Westerwick and Matthias R. Hastall; Journal of Communication, September 2010, S. 515-535, DOI: 10.1111/j.1460-2466.2010.01495.x


 

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